Stellungnahme von Tschetscheninnen und Tschetschenen aus Vorarlberg
Was können wir tun, damit unsere Kinder nicht empfänglich werden in fremde Kriege zu ziehen?
Wir Tschetschenen und Tschetscheninnen aus Vorarlberg möchten gern eine Antwort finden und auch geben zu den Nachrichten, die nun in allen Medien zu hören und lesen sind, auch Tschetschenen haben sich den IS-Kämpfern angeschlossen, Tschetschenen „ziehen in Kriege“, ob nun in Syrien, Irak oder in der Ukraine.
Zunächst einmal möchten wir sagen, dass wir dankbar sind, hier in Österreich Asyl gefunden zu haben, aufgenommen worden zu sein, hier in Sicherheit und Frieden leben zu dürfen!
Wir mussten unsere Heimat verlassen, weil aufgrund von Krieg und politischen Verhältnissen ein weiteres Überleben nicht mehr möglich war. Wir mussten in der Fremde –überall in Europa- und eben auch hier in Österreich ganz neu, ganz unten anfangen.
Wir waren verletzt –innerlich wie äußerlich-, wir waren verunsichert, wir hatten keine Wurzeln mehr.
Österreich hat uns sehr geholfen und die Hilfe, die uns Österreich gegeben hat, bleibt auf immer unsere Geschichte. Weder aus Respekt noch auch religiösen Gründen möchten wir dem österreichischen Volk schaden. Österreich hat uns die Hand gereicht, dafür sind wir sehr dankbar!
Wir möchten ausdrücklich betonen, dass wir nicht wollen, dass unsere Söhne in fremden Kriegen sterben, noch viel weniger, dass sie in Propagandafallen der IS-Kämpfer tappen.
Sie kennen den Koran zu wenig, sie haben „nicht zu Ende zugehört“, sonst würden sie diese Fehler nicht machen.
Wir können vermuten, dass manche jungen Männer versuchen, ihre Eltern in gewisser Weise zu „rehabilitieren“ versuchen, denn die alte Kriegsverletzung, die sie selbst als Kind in den beiden Kriegen in Tschetschenien erfahren haben, bleibt ja in ihren Seelen und Köpfen und sie haben unsere Ohnmacht erlebt. Vielleicht versuchen sie auf Umwegen, unsere Verletzungen und unsere Hilflosigkeit von damals „wieder gut zu machen“.
Wir wollen das nicht.
Ein junger Mann braucht –wenn er in den Krieg ziehen will, wenn er kämpfen will- die Erlaubnis seiner Eltern. Die wenigsten tschetschenischen Eltern hier werden sie ihnen geben, denn sie wollen nicht, dass ihre Kinder nun in anderen Kämpfen sterben oder einer Propaganda zum Opfer fallen.
Die jungen Männer, die trotzdem losziehen, fahren in den meisten Fällen ohne Erlaubnis, sie schicken im besten Fall eine sms, dann kann sie niemand mehr halten.
Sie haben die Religion nicht verstanden.
Wir wollen versuchen, die anfälligen Jugendlichen zu stabilisieren, ihnen helfen, ihnen Fertigkeiten zu geben, damit sie gegen Propaganda immun werden.
Wir versuchen, unseren Kindern den Wert einer guten Bildung zu vermitteln und investieren einen Großteil unseres Geldes darin, ihnen gute Schulabschlüsse zu ermöglichen. Wir gründen Kulturvereine wie z.B. den „Tschetschenischen Kulturverein“ in Vorarlberg, der vor kurzem beim interkulturellen Fest „Unser aller Ländle““ in Bregenz teilgenommen hat.
Dort haben unsere Kinder die Möglichkeit, auf eine positive Weise ihre Kulturelle Identität zu fördern, sich als wirksame und bedeutsame Mitglieder der tschetschenischen Gemeinschaft in Vorarlberg zu erleben und mit anderen Kulturen und mit der Vorarlberger Bevölkerung in einen respektvollen Austausch zu kommen. Im Verein Vindex-Schutz und Asyl versuchen wir, den Jugendlichen Werte wie Toleranz, Einfühlungsvermögen und Hilfsbereitschaft zu vermitteln und ihre Verbundenheit zu den Menschenrechten und zur Menschlichkeit zu stärken.
Wir möchten alle ÖsterreicherInnen und Vorarlberger und Vorarlbergerinnen bitten, dass nun nicht durch eine erneute Pressepropaganda gegen unser Volk ein schlechtes Bild für uns alle entsteht. Welche Möglichkeiten und Zukunftsperspektiven haben unsere Kinder (und auch wir), wenn wir alle über einen Kamm geschoren werden?
Wir wollen mit allen VorarlbergerInnen hoffen und dabei unser Möglichstes tun, dass keines unserer Kinder –egal welcher nationalen Abstammung- in die Propagandafalle der IS tappt.
Ebenso bitten wir die Regierung und zuständigen Behörden, die „Rekruten“ möglichst bald zu identifizieren und nach österreichischem Recht zu behandeln.
Bregenz, am 20.09.2014